Pantheismus

Wir sind alle Teil des Universums

Von Torge Meyer

Was ist Gott?
Seit Anfang unserer Geschichte stellen wir uns diese Frage. Doch bis jetzt kommen wir nicht auf einen gemeinsamen Nenner. Jeder hat eine andere Vorstellung darüber, was oder wer Gott ist. In unserer Welt gibt es so viele Religionen, Glaubensätze, Vorstellungen, dass es fast unmöglich ist, sie alle zu kennen. Die Philosophie, über die ich in diesem Artikel schreiben möchte, wird selten in den Medien oder in der Schule erwähnt. Sie ist grundlegend anders, als die meisten Weltreligionen (wie wir es im Christentum oder im Islam kennen), da sie kein großes Buch benötigt, um erklärt zu werden. Sie entsteht durch eine einfache Reflexion mit dem Leben. Von dieser Idee muss man nicht gehört haben, um auf diese Idee zu kommen. Du benötigst keine Missionare, keine heilige Schrift, nicht einmal eine Organisation, damit viele Menschen sie erkennen und annehmen. Ich spreche vom Pantheismus. Diese Idee ist über die Jahre zu einem der wichtigsten Thematiken meines Lebens geworden. Viele Menschen, wahrscheinlich sogar Millionen, sind Pantheisten, ohne es zu wissen.


 

Der Pantheismus ist eine philosophische Anschauung, die besagt, dass Gott eins mit der Natur und dem Universum ist. Es geht also nicht um einen alten Mann mit Bart, wie manche sich das vorstellen, sondern das Göttliche wird viel mehr im Aufbau und in der Struktur des Universums gesehen.

Gott ist alles und alles ist Gott. Daraus folgt, dass wir das Absolute auch in uns selbst finden können. So wie in den alltäglichen Dingen: In einer bunten Blume, in einem fligenden Vogel, in einem prächtigen Baum, auch in den Dingen, die uns als hässlich erscheinen. Alles bekommt einen Wert. Die Natur ist nicht irgendein Nebenprodukt, in dem wir uns aufhalten. Wir sind nicht nur Geschöpfe der Natur, wir sind Natur selbst. Für mich geht es im Pantheismus um die geistige Verbindung, in der wir uns als Brüder und Schwestern verstehen. Ich sehe mich in dir und du siehst dich in mir.


Große Denker waren Pantheisten.


Pantheismus finden wir überall! In der Musik, in der Literatur, in der Kunst, in Filmen. Und ganz häufig finden wir ihn auch bei den großen Denkern unserer Geschichte. Der Begriff des Pantheismus geht unter anderem auf John Toland um das Jahr 1709 zurück. Er war ein irischer Freidenker während der Zeit der Aufklärung. Den Begriff schuf er für seinen religiösen Grundsatz. Durch den Philosophen Spinoza bekam die Idee des Pantheismus große Aufmerksamkeit und Popularität. Dieser niederländische Philosoph war auch der Begründer des Spinozismus. Seinem Weltbild zufolge, sind Geist und Materie keine getrennten Substanzen, sondern zwei Eigenschaften der einen Substanz, die er als Gott ansah. Erwähnenswert ist, wie das Wort „Substanz“ von Spinoza gemeint ist. Vom Wortursprung wurde es abgeleitet und bedeutet: Das „Darunterstehende“. Das Eine und das Unendliche, das unter und auch hinter allen Dingen steht und das alles Sein in sich vereint. Die Substanz sei ewig, unendlich und aus sich selbst existierend. Der berühmteste Pantheist der Welt war sicherlich Albert Einstein. Ein Zitat von ihn verdeutlicht seine Sympathie zu Spinoza: „Spinoza ist einer der tiefsten und reinsten Menschen, welche unser jüdisches Volk hervorgebracht hat“. Einmal wurde er gefragt, ob er an Gott glauben würde, und er antwortete unmissverständlich: "Ich glaube an den Gott von Spinoza". Auch Goethe war den Lehren Spinozas eindeutig nicht abgeneigt. „Die alles ausgleichende Ruhe Spinozas kontrastierte mit meinem alles aufregenden Streben [..] und [..] machte mich zu seinem leidenschaftlichen Schüler, zu seinem entschiedensten Verehrer“, so der berühmte deutsche Dichter. Giordano Bruno ist hier ebenfalls wichtig zu erwähnen, da er die zuvor erwähnten Persönlichkeiten stark beeinflusste. Bruno musste sogar für seine pantheistischen Thesen sein Leben lassen, als er im Jahre 1600 auf dem Scheiterhaufen landete. Der Versuch, die Verbreitung unserer Philosophie zu verhindern, ist bis heute fehlgeschlagen. Es gab in der Geschichte so viele bekannte Namen, die den Pantheismus in die Welt trugen, sei es Jacob Böhme oder Hegel. Doch es sind so viele, dass es hier den Rahmen sprengen würde. Man kann daher an dieser Stelle zusammen fassen: Viele kluge Köpfe waren Pantheisten, die die Welt maßgeblich veränderten. 



Gemälde von Spinoza

Pantheismus in anderen Religionen


Vielen ist vermutlich gar nicht bekannt, dass der Pantheismus sogar weitaus älter ist, als zum Beispiel das Christentums. Der Brahamanismus, eine religiöse Philosophie, war um 800 bis 500 v. Christus die dominierende Religion in Indien. Diese Lehre ist in den Upanishaden niedergeschrieben, welche eine Sammlung philosophischer Schriften des Hinduismus ist. Es geht hier um Brahman, dem höchsten Prinzip in dieser Religion. Brahman bezeichnet einen unpersönlichen Urgrund, der weder Anfang noch Ende hat. Brahman ist das, was hinter allem stehe und alles hervorgebracht habe. Hier erkennt man, dass der Pantheismus schon in unseren frühesten Kulturen existent war. Es wird davon ausgegangen, dass pantheistische Vorstellungen noch deutlich älter sind, als bei dem eben erwähnten Beispiel. Auch in anderen Weltreligionen als dem Hinduismus lässt sich einiges pantheistisch deuten. So heißt es zum Beispiel in der Bibel: „Ein Gott und Vater aller, der da ist über allem und durch alles und in allem.“ Eph 4, 5-6. Oder wie hier beschrieben: „In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir.“ APG 17,28. Natürlich möchte ich damit nicht behaupten, dass manche Weltreligionen eigentlich pantheistisch sind, doch denke ich, dass wir uns nicht immer nur darauf konzentrieren sollten, was sich von uns unterscheidet, sondern was sich gleicht. Denn wenn man sich mit der hier dargestellten Thematik beschäftigt, fällt einem schnell auf, dass uns der Pantheismus als eine Brücke zwischen den unterschiedlichen Glaubenssytemen erscheint. Interessanterweise entstanden innerhalb der Weltreligionen oft pantheistische Strömungen, die durch ein mystisches Erlebnis ausgelöst wurden. Meister Eckhart, der sich im Christentum bewegte, hat einige Philosophien gelehrt, die hier nennenswert sind. Auch der Sufismus aus dem Islam kann hier genannt werden. Selbst dort, wo man es nicht vermutet, war der Pantheismus ein Thema. Dieses Thema ist dadurch zeitlos und kulturübergreifend.

Mein Weg zum Pantheismus


Vor einigen Jahren bin ich zum Pantheismus gekommen. In einer schweren Phase meines Lebens, stellte ich mir immer öfter Fragen über das Leben und die Welt. Darauf hin entdeckte ich in der Bibliothek ein Buch mit dem Titel "Gespräche mit Gott". In diesem Werk geht es um den Autor Neale Donald Walsch, der ebenso in einer harten Phase seines Lebens, Fragen an Gott stellte. Und tatsächlich Antworten erhielt. Im ersten Moment klingt das vermutlich etwas verrückt. So dachte ich auch, bis ich es gelesen habe. Ich muss sagen, dass ich zu der Zeit atheistisch und skeptisch eingestellt war. In „Gespräche mit Gott“ wurde mir ein ganz anderes Gottesbild dargelegt. Gott wird ganz anders definiert und geht von der gewohnten biblischen Vorstellung weit weg. Das Buch hat eine Spiritualität in mir geweckt, die in mir über viele Jahre verborgen war. "Gespräche mit Gott" hat mich erinnern lassen, wer ich bin.


Natürlich habe ich auch in Erwägung gezogen, dass der Autor nur mit sich selbst spricht, doch genau darin liegt die Botschaft. Nach meiner Meinung verstehen viele dieses Buch deswegen nicht ganz richtig. Denn wenn, wie im Pantheismus beschrieben, auch in uns Gott zu finden ist, dann ist im Grunde jedes Gespräch mit Gott, doch eine Art Selbstgespräch? Natürlich habe ich auch darüber nachgedacht, ob es nicht gefährlich ist, sich selbst als Gott zu betiteln? Was mich dazu führt, an dieser Stelle ein häufiges Missverständnis anzusprechen. Ich bin nicht Gott, ich bin Teil Gottes. Nicht der Stuhl, auf dem ich sitze, ist Gott, sondern ALLES ist Gott. Wir sind wie Tropfen in einem Meer und dieses Meer, das wir auch manchmal als Weltenseele bezeichnen, stellt den pantheistischen Gott dar, der sich durch uns erfährt. So wie in dem bekannten Spruch: "Das Universum erfährt sich durch dich!" Wir verwenden unsere Lehre also nicht als Rechtfertigung für Arroganz, sondern in dem Sinne, dass wir zu allem fähig sein können, und dementsprechend auch Verantwortung für unsere Welt übernehmen. Wir haben die Fäden in der Hand. Wir erschaffen jeden Tag die Gesellschafft, in der wir leben. Und wir sind es, die die Macht besitzen, diese Gesellschafft zu verändern, zu verbessern und eine Welt der Fairness und Verbundenheit zu schafffen.


Pantheismus als universeller Konfliktlöser.


Ich als Pantheist möchte niemanden bekehren oder belehren. Der Grund für mein Engagement besteht nicht darin, Andersgläubige vor der Hölle zu bewahren. An eine ewige Verdammnis glaube ich nicht. Ich glaube aber an eine ewige Verbundeheit, die niemals zerstört werden kann. Wir können sie nur vergessen oder verleugnen. Wir alle sind Teil des Universums, wir alle sind eins. Das ist der pantheistische Grundsatz. Dennoch habe ich keinen Absolutheitsanspruch. So wie Sokrates einmal sagte: „Ich weiß, dass ich nicht weiß“. Ich verstehe meinen Glauben auch wirklich als Glauben. Nach meiner Meinung hat jede Religion ein Potential. Sie alle können Puzzlestücke für die eine Wahrheit sein. Ich sehe es daher als nicht sonderlich attraktiv an, mich ständig mit Gläubigen zu streiten, sondern ich möchte viel mehr Harmonie und Frieden schaffen. Und dies ist mit der Idee des Pantheismus durchaus möglich. Jede Religion stellt für mich das Ergebnis der Beschäftigung mit dem Göttlichen dar und das immer in ihrem jeweiligen Kulturkreis. Die Essenz der ursprüngichen Lehre wird dadurch gefiltert, strukturiert und entfernt sich oft und ungewollt von der eigentlichen Botschaft. Doch als Pantheisten interessiert mich genau diese Essenz. Dadurch können Religionen nebeneinander stehen. Buddha kann neben Krishna oder auch neben Jesus stehen. Ich denke nicht, dass die eine Wahrheit ein einziges Etikett hat. Andere Religionen können in diesem Konzept tatsächlich als Teil-Elemente verstanden werden.


Durch meine Begeisterung für den Pantheismus gründete ich im Jahre 2018 mit guten Freunden einen Verein, der nun schon über fünf Jahre existiert. Bei unserer „Liga der Pantheisten" geht es um die Verbreitung, der in diesem Artikel beschriebenen Botschaft, aber nicht in dem Sinne, dass wir an Türen klingen wollen, sondern auf demokratische und unaufdringliche Weise vermitteln. Denn heutzutage haben wir ein großes Problem mit Radikalen, die die Gedanken der Menschen vergiften und dadurch Chaos anrichten. Und genau bei diesen Problem sehe ich den Pantheismus als Lösungsmöglichkeit. Er stellt für mich eine Diplomatie dar, in der sich die unterschiedlichsten Menschen begegnen und akzeptieren können. Aus tiefer Überzeung verstehe ich mich als ein Mitglied einer sehr großen Familie. Und seine Familie sollte man gut behandeln. Martin Sagel, ein Buchautor aus Kerpen, hat es für mich treffend formuliert:


„Die Erkenntnis, dass „Alles Eins“ ist, lässt tiefes Mitgefühl entstehen, gegenüber allen Wesen. Alles wird einem heilig, Nächstenliebe wird selbstverständlich und nicht mehr ein auferlegter Zwang“. (Zitat aus "Alles Eins - Wegweiser durch das Sytem Gott")

Autor: Torge Meyer

Sehen Sie hier noch ein Video zu dem Thema: